Neue Deutungen keilschriftlicher Umschreibungen ägyptischer Wörter und Personennamen | Band 375 | pp. 11–13
a) wḏꜣ.t, das „heile (Auge)“
Man denkt sofort an das Wort wḏꜣ.t, Wb I 401 𓅱𓍑𓄿𓏏𓂀 geschrieben, das so häufige Uzatauge, das von Posener u.a., Knaurs Lexikon der ägyptischen Kultur (1959) 22 zu den vier „mächtigsten und häufigsten Amuletten“ der alten Ägypter gezählt wird. *wĭ́ḏꜣat „das unversehrte (Auge)“ ist demnach also die Vokalisation dieses Wortes.
Die Vertretung von äg. ḏ durch ein ṣ ist wohlbekannt; zur Doppelschreibung des ṣ nach kurzem Tonvokal vgl. die Umschreibung Reamašši für Rꜥ-msj.w bei Edel, JNES 7 (1948) 17.18, wo mašši gleich dem Qualitativ sah. ⲙⲟⲥⲉ, fay. ⲙⲁⲥⲓ mit kurzem Tonvokal ist: *mắsj‿w > mắsi nach Abfall der Endung -‿w.
Was den besonderen Wert dieser Vokalisation ausmacht, ist aber der Umstand, daß sie nicht unverbindlich im Raume dasteht, sondern durch eine griechische Umschreibung dieses Wortes nachgeprüft werden kann. In einem Zaubertext5 begegnet diese Umschreibung als οὐάτιον, vgl. Jacoby, Archiv für Religionswissenschaft 16, 222. Im sahidischen bzw. bohairischen Dialekt des Koptischen wäre aus *wiḏꜣat ein *ⲟⲩⲁϫⲉ bzw. *ⲟⲩⲁϫⲓ zu erwarten; das ϫ des Koptischen wurde dann im Griechischen ebenso wie in Ὀτε-υρις für Wḏꜣ-ḥrw „Horus sei heil“ und in Ἁρ-υωτης für Ḥrw-wḏꜣ.w „Horus ist heil“ (Ranke, PN II 71) durch ein τ wiedergegeben. Überdies liegt der Name des Uzat-Auges auch in dem griechisch geschrieben Namen Ταουατις „die des heiligen Auges“ (tꜣ-nt-wḏꜣ.t) vor, wie Griffith, The demotic magical papyrus of London and Leiden (1904) S. 64, Anm. zu Z. 8 erkannt hat. Vgl. dazu auch den hieroglyphisch geschriebenen Namen tꜣ-(nt)-wḏꜣ.t-rꜥ „die zum Auge des Re Gehörige“ Ranke, Personennamen II 325, 16.
Haben wir auf diese Weise die Bedeutung von uiṣṣa erschlossen, so sollten wir umgekehrt nun auch in der Lage sein, den Beginn der Zeile 14 akkadisch zu ergänzen. Wie hätte man den Begriff des den Babyloniern unbekannten Augenamuletts anders und einfacher als durch das Wort für „Auge“, babylonisch ī̇nu (Ideogramm IGI), wiedergeben können? Und zum Glück paßt der verfügbare Raum am Zeilenanfang, [x o o], für die notwendige Ergänzung, nämlich [x IGI.MEŠ] „[x Augen]“, aufs beste. Wir dürfen also Z. 15 so übersetzen: „[x Augen für den Hals (aus) Gold], mit Steinen besetzt; uiṣṣa ⟨ist ihr Name⟩“. Mit den „Steinen“ wird die Pupille und das Weiße des Auges gemeint sein, die in das goldene Amulett des Uzat-Auges eingelegt werden mußten.
b) wḏꜣw, eig. „Heil“, dann „Amulett“ (um das „Heil“ zu gewährleisten)
Dieses ebenfalls von wḏꜣ „heil sein“ abgeleitetes Wort bedeutet nach Wb I 401, 10 ganz allgemein, „Amulett jeder Art und Herstellungsweise“ z. B. Urk. IV 1046, 7); im Mittleren Reich werden muschelförmige Anhänger so genannt; als Material begegnet bei diesen Amuletten „or avec incrustations de pierres du couleur“, vgl. Jéquier, Frises d'objets des sarcophages du Moyen Empire (MIFAO 47, 1921) 59. Im neuen Reich zeigen die wḏꜣw genannten Amulette in ihren Determinativen verschiedenen Formen von Pektoralen, vgl. Urk. IV 871, 9; 873, 8; 870, 16; 1859, 12; 1880, 10. So ist die genaue Bedeutung von wḏꜣw nicht recht zu fassen. Eine Gleichsetzung mit ú-iṣ-ṣa wäre möglich, wenn die Vokalisation *wĭ́ḏꜣ‿w vorlag. In Anbetracht dessen, daß im Koptischen die unbetonte Endsilbe ꜣ‿w völlig verschwunden ist (z. B. in ϩⲟϥ „Schlange“, aus *ḥafꜣaw), und auch in dem schon erwähnten Qualitativ mašši von der Endsilbe jaw nur das i übrigbleibt (wie im koptischen Qualitativ sah. ⲙⲟⲥⲉ, fay. ⲙⲁⲥⲓ), wäre zu fragen, ob dann nicht ú-iṣ als Umschrift für *wĭ́ḏꜣ‿w zu erwarten wäre. Dazu kommt die Unsicherheit, ob überhaupt der Tonvokal i vorlag oder ein a oder u, oder gar die Wortstruktur *w‿ḏ-ꜣ́‿w. mit ihren verschiedenen Vokalisationsmöglichkeiten. Alles in allem gesehen wird man also der Gleichung uiṣṣa = *wĭ́ḏꜣat = οὐατιον „Uzat-Auge“ unbedingt den Vorzug geben, weil hier — ganz abgesehen von der Bedeutung und der außerordentlichen Häufigkeit dieses Amuletts — auch die keilschriftliche Vokalisation durch die spätere Vokalisierung in griechischer Umschrift gesichert wird⁶.
- ⁵ B.M. Pap. XLVI 75 und 92.
- ⁶ v. Soden hat auf meine Mitteilung hin die Gleichung ins AHw 1405 aufgenommen, doch versehentlich als Stichwort die Umschrift ú-iz-za (statt ú-iṣ-ṣa) gewählt (das Zeichen IZ hat die Lesungen iz und iṣ). Statt wḏꜣ́(t) steht durch irgendeinen Druckfehler wꞽḏꜣn(t) im Text.
Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertimskunde | Band 56 | p. 160
𓆓𓌃𓑁𓑁 ḏd mdw im Koptischen. — In meinem kopt. Handwörterbuch habe ich S. 156 aus ϫⲉⲙⲧⲁⲩ (B) ein Nomen ⲧⲁⲩ zu erschließen gesucht, indem ich in ϫⲉⲙ- den St. cstr. von ϫⲓⲙⲓ zu sehen glaubte. Nachdem aber im Journ. Eg. Arch. VIII S. 187 aus dem Cod. Vat. (Deuter. XVIIII 11) ein Wort ⲙⲧⲁⲩ belegt hat, liegt eine andere Abtrennung näher: ϫⲉ-ⲙⲧⲁⲩ, d. h. der St. cstr. ϫⲱ „sprechen” mit jenem Nomen ⲙⲧⲁⲩ. Das so erklärte koptische Wort ist nun gewiß nichts anderes als der schon aus den Pyramidentexten bekannte altägyptische Ausdruck ḏd mdw „Worte sprechen”, der sich als Überschrift und Anweisung vor religiösen Texten findet. In dieser Verbindung ist mdw, wie die spätere Schreibung 𓆓𓑁𓑁𓂧𓏤𓏦 lehrt2, Plural, also richtiger mdw.w zu lesen. Und so möchte ich auch in ⲙⲧⲁⲩ eine Pluralform zu einem Singular môdew (ⲙⲟⲩⲧⲉ) sehen, etwa eine jener „abnormen Pluralbildungen”3 wie ⲁⲛⲁⲩϣ von ⲁⲛⲁϣ, ⲙ̄ⲕⲁⲩϩ von ⲙⲕⲁϩ, ϭⲁⲗⲁⲩϫ von ϭⲁⲗⲁϫ, ⲥⲛⲁⲩϩ von *ⲥⲛⲁϩ, ⲉⲑⲁⲩϣ von ⲉⲑⲱϣ, die im Plural den Diphthong ⲁⲩ zeigen. Ich würde mir danach ⲙⲧⲁⲩ aus emdắuwew entstanden denken4. Doch mag die Erklärung der Vokalisation noch zweifelhaft sein, die Zurückführung des koptischen Ausdrucks ϫⲉ-ⲙⲧⲁⲩ auf 𓆓𓌃𓑁𓑁 ḏd-mdw halte ich für sicher. Sie erhält eine weitere lautliche Gewähr durch die Tenuis ⲧ des bohair. Wortes, die auf altes d weist, also ganz in Übereinstimmung mit der hier gegebenen Erklärung. Somit hat die uralte Formel 𓆓𓌃𓑁𓑁, die übrigens noch im Demotischen5 vorkommt, im Koptischen weitergelebt, und in der Verbindung ⲙⲉⲧⲣⲉϥ ϫⲉⲙⲧⲁⲩ ἐπαοιδή klingt noch die alte Bedeutung von mdw als „Zauberspruch” deutlich durch, wie sich ja auch die Bedeutung „wahrsagen” aus dem alten Ausdruck leicht entwickeln läßt. Dieser soll nach s Worten (Pyr. IV, S. 4) den Inhalt des folgenden Textes als „gesprochene Rede” kennzeichnen, vielleicht in dem Sinne, daß er den gehobenen singenden Vortrag bezeichnet, wie er religiösen und magischen Texten, so auch Zaubersprüchen, eigen war, und noch heute in dieser Literatur im Orient üblich ist.
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- ^Siehe , Pyramidentexte IV, S. 4 Anm. 2.
- ^, Pluralbildung § 53; , Kopt. Gramm.2 § 139.
- ^Weniger wahrscheinlich ist mir eine Entstehung aus emdắuwwew. erinnert brieflich an die Pluralform ⲉⲥⲟⲟⲩ „Schafe”. — Rein formal könnte man ⲙⲧⲁⲩ auch als Singularform wie ⲁⲩⲁⲛ, ⲟⲩϣⲁⲛ, ⲙϩⲁⲁⲩ (also emdắu) erklären. Aber die altägyptischen Schreibungen (s.o.) sprechen doch für eine Pluralerklärung.
- ^Pap. Rhind 1 6d, 1 (ed. ).