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ZÄS 23 109

Fragment eines koptischen Tractates über Alchimie.
Von Ludwig Stern.

Von je ist uns Aegypten als eine der wichtigsten Pflegestätten der Alchimie bekannt gewesen; aber im letzten Jahre sind zwei Funde gemacht worden, die davon aufs neue ebenso überraschend als entschieden Zeugnifs ablegen. In der Necropole von Dronkeh südlich von Sijüt entdeckte man nach dem Berichte Masperos ein unterirdisches, roh ausgehauenes und mit Rufs bedecktes Gemach, welches ohne Zweifel die geheime Werkstätte (ⲡⲙⲁⲛ̄ⲣϩⲱⲃ) eines Alchimisten gewesen ist. Es enthielt einen Ofen (ⲧⲣⲓⲣ) aus Ziegelsteinen mit metallener Thür, an 200 Gefäfse aus Stein oder Bronze und von verschiedener Form, eine Menge Goldplättchen von je etwa \ Millimeter Dicke, zusammen ungefähr 1800 Francs an Werth, endlich in einer Ecke einen Haufen schwarzer Erde von leuchtender Farbe, die sich fettig anfühlte- und auf glühendem Kupfer weifs färbte. Sie bildete vermuthlich das alchimistische Elixir, das arabisch طين الحكمة und koptisch ⲟⲙⲉ ⲛⲥⲟⲫⲟⲥ „der Thon der Weisheit" oder „der Weisen" genannt wird.

Der andere Fund, welcher diesen so merkwürdig ergänzt, ist eine koptische Pergamenthandschrift, welche Herr Professor Dr. August Eisenlohr anf seiner letzten ägyptischen Reise in Söhäg (سوهاى) erworben und für die Wissenschaft gerettet hat. Sie erweist sich als ein recht ansehnliches Fragment einer Sammlung von alchimistischen Recepten zur Herstellung des Goldes oder „der Sonne" und des Silbers oder „des Mondes," welches, wie ich darthun werde, aus dem Arabischen übertragen ist, aber die koptische Literatur gleichwohl in bedeutender Weise bereichert. Ich mache daher von der gütigen Erlaubnifs, welche mir unser hochgeehrter College so uneigennützig und bereitwillig ertheilt hat, sofort Gebrauch, indem ich zunächst den Text des Manußcripts, so genau ich ihn feststellen konnte, veröiBFentliche. Ich kann es aber nicht unterlassen Herrn Prof. Eisenlohr an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank zu wiederholen. So wie er einst der erste war, der von dem wichtigsten Denkmal der altägyptißchen Medicin Kunde überbrachte, so hat er uns jetzt eine verwandte Wissenschaft zugänglich gemacht, die obschon einer weit spätem Zeit angehörig für die Culturgeschichte des alten Wunderlandes von nicht geringerer Bedeutung ist.

Die Handschrift besteht aus zehn Pergamentblättern in klein Quart (von 0,16™ Höhe und 0,12™. Breite), welche eine Lage eines Codex bildeten. Wie umfangreich derselbe gewesen, läfst sich nicht ersehen, da die Blätter eine Foliierung nicht haben. Ihre Reihenfolge ist aber bestimmt, da sie noch in der ursprünglichen Ileftung hängen. Das kräftige und alte Pergament, auf der Vorderseite durchgehends vergilbt, ist ein Palimpsest, dessen erste Schrift von grol'ser Ilaud noch überall durchleuchtet und nicht biblische Erzählungen enthielt, es ist darin z. B. die Rede von ⲧϣⲉⲉⲣⲉ ⲛⲁⲙⲓⲛⲁⲇⲁⲃ ⲡⲥⲟⲛ ⲛⲧⲉϥ… Die Handschrift, welche immerhin 5 — 6 Jahrhunderte alt sein mag, ist übel verwahrt gewesen, indem sie an der einen Seite einer ätzenden Feuchtigkeit ausgesetzt war, welche die Mitte der ersten fünf Blätter zu einem bräunlichen Gallert aufgelöst und zerstört hat, wodurch auf diesen Seiten weite Lücken entstanden sind. Im übrigen ist die Schrift eine ziemlich deutliche Cursive, die nur die Unbequemlichkeit hat, dafs sich und in ihr schwer unterscheiden lassen. Die Striche und Punkte, welche sie gebraucht, sind ganz willkürlich gesetzt; ich glaubte sie aber im folgenden Texte in ihren Absonderlichkeiten so sorgfältig wiedergeben zu sollen, als es die typographischen Mittel gestatten. Das in runde Klammern Eingeschlossene ist von mir ergänzt worden; das in eckigen Stehende ist zu tilgen. Der Kopte hat nämlich sehr flüchtig geschrieben und mehrfach Buchstaben oder ganze Wörter wiederholt. Einige Male hat er seinen Irrthum bemerkt und selbst durchgestrichen; dies ist durch liegende Klammern kenntlich gemacht.

Text

ⲁⲣ︤ⲙ︥ⲁⲣ︤ⲑ︦ⲁ︥ⲕ ⲛⲁⲗⲁⲩ ⲃ̅ ⳾ ⲉϣⲓ ⲧ(ⲁϩ)ⲟⲩ

ⲛⲥⲁⲏ ϩⲓ ⲟⲩⲕⲟⲩⲓ ⲛ̇ⲛⲏϩⲙⲏ ..ⲙⲉⲛ ⲉϣⲟ

ⲣⲡ : ⲉⲩϣⲁⲛⲕⲟⲧⲉ ϣⲟⲩⲱϥ ⲉ̇ⲡⲉⲣⲟⲧⲉ ⲉϥ

ϩⲟⲗⲉϭ : ϭⲟ(ϣ)ϥ ⲛⲍ̅ ⲥⲟⲡ ⲡⲁϩⲧϥ̇ ⲛⲧⲉⲣϩ =

ⲉϥⲥ . . . (ⲁϥ)ϫⲟⲗ ⲉⲃⲟⲗ =

— · — · · —

ⲃⲟⲗ ⲉⲃⲟⲗ ⲙⲡⲃⲁⲣⲱ

ⲁⲗⲡⲟⲩ

(ⲃⲁ)ⲣⲱⲑ ⲉϩ

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  1. ⁵ B.M. Pap. XLVI 75 und 92.
  2. ⁶ v. Soden hat auf meine Mitteilung hin die Gleichung ins AHw 1405 aufgenommen, doch versehentlich als Stichwort die Umschrift ú-iz-za (statt ú-iṣ-ṣa) gewählt (das Zeichen IZ hat die Lesungen iz und iṣ). Statt wḏꜣ́(t) steht durch irgendeinen Druckfehler wꞽḏꜣn(t) im Text.
  1. ^Siehe Sethe, Pyramidentexte IV, S. 4 Anm. 2.
  2. ^Erman, Pluralbildung § 53; Steindorff, Kopt. Gramm.2 § 139.
  3. ^Weniger wahrscheinlich ist mir eine Entstehung aus emdắuwwew. Sethe erinnert brieflich an die Pluralform ⲉⲥⲟⲟⲩ „Schafe”. — Rein formal könnte man ⲙⲧⲁⲩ auch als Singularform wie ⲁⲩⲁⲛ, ⲟⲩϣⲁⲛ, ⲙϩⲁⲁⲩ (also emdắu) erklären. Aber die altägyptischen Schreibungen (s.o.) sprechen doch für eine Pluralerklärung.
  4. ^Pap. Rhind 1 6d, 1 (ed. Möller).